Mission #24459 – completed – Teil 2 Der Marathon

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Raceday! 5:30 Tagwache, natürlich sind wir bereits kurz vor dem Weckerläuten munter, zu groß ist die Aufregung um in einen tiefen erholsamen Schlaf zu fallen. Das übliche Prozedere beginnt, dabei wird nicht viel gesprochen, die Abläufe sind bereits Gewohnheit. Fast wie eine Choreografie werden Badgang, die Brust abkleben, Ankleiden, die Verpflegung verstauen und alles Weitere abgehandelt.

Auf geht’s zum Frühstück, es ist 6:15 Uhr noch 2 Stunden 15 Minuten bis zum Start. 3 Toastbrote mit Marmelade, ein wenig Rührei und 2 Kaffee sowie eine halbe Banane, wieder wird nicht viel gesprochen, die lauten Landsleute am Nachbartisch nerven gewaltig, ich bin aufgeregt, immer wenn ich aufgeregt bin, nerven mich Sachen, die mich sonst nicht aus der Ruhe bringen.

7:00 Uhr, noch 1 Stunde 30 Minuten bis zum Start, Warmlaufen. Bloß nicht soviel heute, jeder Meter könnte für den Fuß entscheidend sein. 1,5 km müssen reichen, ich spüre den Fuß, auch wenn es noch keine Schmerzen sind, das hilft nicht gerade meine Nervosität zu senken. Auch Doro spürt, dass ich heute besonders angespannt bin, verdammt, das wollte ich unbedingt vermeiden, sie sollte sich ganz auf ihren Lauf konzentrieren können, helfen kann sie mir eh nicht, dann brauch sie sich auch keine Gedanken darum machen. Nach dem Einlaufen steht für mich auch fest, dass ich die sichere Schuhvariante wähle und nicht die ganz leichten Adizero takumi sen laufen werde. Noch einmal kurz auf das Hotelzimmer, bevor wir ca. 45 Minuten vor dem Rennen in Richtung Start aufbrechen, der nur 400m von unserem Hotel entfernt liegt.

Im Startgelände steigt der Adrenalinspiegel und meine Hoffnung, dass der Fuß hält steigt parallel dazu. Ich verabschiede mich von Doro, wir wünschen uns Glück und rein geht’s in den ersten Block. Während im 2. Block alle bereits dicht gedrängt stehen, hat man im vordersten Block genug Platz um noch ein paar Schritte warmzulaufen. Ich verzichte darauf und setze mich an den Rand. Noch 15 Minuten bis zum Start und jetzt wird es auch im ersten Block langsam voll. Ich orientiere mich zu den 2:45h Pacemakern und stelle mich direkt neben ihnen auf. Den ersten Halbmarathon mit denen mitlaufen ist der Plan.

8:30 Uhr los geht’s. Freddy Mercurys Barcelona wird gespielt und es regnet Konfetti, Gänsehaut, aber auch gleich volle Konzentration auf die Pace. Bloß nicht zu schnell, einen Marathon kann man auf den ersten beiden Kilometern nicht gewinnen, aber man kann bereits alles verlieren. Kilometer 1 in 3:55 min, Kilometer 2 in 3:54 min, exakt wie geplant. Ich bin dran an den 2:45h Pacemakern. Für die nächsten Kilometer brauche ich mir also eigentlich keine Gedanken machen. Die erste geplante Durchgangszeit ist bei 39:00 Minuten bei 10 Kilometern, es sind genau 39:02 Minuten als ich die 10km Matte überquere. Die 15 Kilometermarke passiere ich bei 58:34 Minuten, nur 4 Sekunden hinter Plan, jedoch werden die Pacemaker langsamer, das spüre ich und entscheide mein eigenes geplantes Tempo weiterzugehen und setze mich nun vor die Pacemaker und in der Folge ganz langsam von ihnen ab. Mein Fuß schmerzt inzwischen ziemlich stark! Erstmals hat er ich bei Kilometer 7 gemeldet, aber nun wird es doch langsam schmerzhaft. Wie soll das bloß bei Kilometer 35 sein, denke ich bei mir und laufe mein Tempo stur weiter. Immer wieder wechselt Optimismus mit Zweifel. Körperlich habe ich es heute drauf, dass spüre ich, aber wenn der Fuß komplett zumacht hilft mir die perfekte Form gar nichts, also Prinzip hoffen und einfach weiter immer weiter im selben Tempo. Die Halbmarathonmarke ist erreicht 1:22:24 Stunden stehen auf meiner Uhr, 8 Sekunden langsamer als die geplanten 1:22:16 Stunden.

 

Bis hierhin ist der Barcelona Marathon ein ziemliches Auf und Ab, vom letzten Jahr weiß ich, dass die nun kommenden Kilometer zum Tempomachen geeignet sind. Ich ziehe nun wie geplant das Tempo etwas an, an die Schmerzen im Fuß habe ich mich irgendwie bereits gewöhnt. Von Kilometer 24 bis 26 folgen 3 Kilometer in jeweils 3:47min, ich hole jetzt Zeit raus gegenüber dem Plan und es fühlt sich locker an. Wäre da nicht der Fuß, es wäre ein Rausch, so ist es ein ein „schneller Dauerschmerz“. Bei Kilometer 30 habe ich erstmals 30 Sekunden Vorsprung auf den Plan und da ich die nächsten beiden Kilometer wieder knapp unter 3:50 min laufe, wächst der Vorsprung noch etwas, bei Kilometer 35 sind es dann 32 Sekunden auf die geplante Durchgangszeit.

Ab hier schwindet der Vorsprung langsam. Jeder Marathonläufer kann nachempfinden, was es bedeutet, das Tempo jetzt konstant zu halten. 30 Sekunden, können problemlos innerhalb eines Kilometers dahin sein, erwischt eine der Hammermann. Der hat bereits auf meinen Fuß gehauen, meinen Kopf bekommt er heute nicht, denke ich mir und kämpfe um jeden schnellen Schritt. Bloß nicht auslassen, mit jedem Schritt pushen, immer wieder rassel ich das geanklich runter und schaue auf die Uhr. Unter 4:00 muss da stehen beim Kilometertempo. Ich bin mittlerweile fast alleine und was mich extrem motiviert, ich werde nicht überholt, aber ich überhole und zwar einen nach dem anderen. Genau andersrum habe ich das im Oktober in Frankfurt erlebt, denke ich bei mir, als ich einige Läufer zwischen Kilometer 37 und 39 überhole. 2:35:58 Stunden, die 40 Kilometermarke ist erreicht. Der Vorsprung auf meinen sub 2:45h Plan ist auf minimale 2 Sekunden geschmolzen, aber es sind nur noch 2 Kilometer. Und jetzt folgt das eigentlich Unmachbare. Tags zuvor haben wir uns die letzten Kilometer angeschaut und festgestellt, dass es eine nicht unmerkliche Steigung hat auf diesen letzten Beiden. Bis hierhin sollte man mindestens 20 Sekunden gut haben um sicher durchzukommen, war unsere Schlussfolgerung. Tatsächlich sind es mikrige 2 Sekunden, der Fuß platzt fast vor Schmerz und die ersten Krämpfe deuten sich auch bereits an. Eigentlich kann es sich nicht ausgehen unter diesen Umständen. Aber heute ist alles anders, nicht nochmal scheitern um wenige Sekunden, das darf nicht sein, DAS DARF NICHT PASSIEREN, das sind meine Gedanken, die mich antreiben zu einem Tempo, welches ich mir bis heute eigentlich nicht erklären kann. Ich stöhne laut bei jedem Atemzug und überhole noch einmal 2 Läufer auf dem 42. Kilometer, beide werden am Ende knapp an der 2:44:59 Stunden Marke scheitern, so knapp war es. Ich sehe die großen Säulen, dann 90° links, aber wie lang ist die Zielgerade, es muss doch klappen?!, die Uhr?, ja!, das gibt es doch gar nicht, das ist es!, oder?, wie lang war sie denn diese Zielgerade? Jetzt biege ich ab und kann das Ziel sehen. Ich kneife die Augen zusammen um die Uhr zu erkennen, diese springt gerade auf 2:44:00 Stunden.

Geschätzt sind es 200m, DAS GEHT SICH AUS! Ich kann es nicht fassen und lasse dem Jubel freien Lauf. 3 Jahre habe ich daran gearbeitet, musste in Wien miterleben, wie die Uhr in Sichtweite auf 2:45:00 Stunden umsprang und mir nach 42,2 km 15 Sekunden fehlten und diesmal … bist du deppad ich hab’s tatsächlich geschafft. Das ist der emotionalste Zieleinlauf meines Lebens, auch kein Gesamtsieg konnte da mithalten. Ich überquere die Ziellinie nach genau 2:44:41 Stunden, als 75. Läufer von über 13.000 Startern.

Ich habe das Projekt immer als meine „persönliche sportliche Mondlandung“ bezeichnet und mit einmal ist es wahr und man steht sozusagen auf dem Mond. Es ist nur ein Lauf und doch steckt soviel Emotion und Leben darin, dass einen die Gefühle fast überwältigen. Diesen einen Moment kann einem niemand mehr nehmen!

Vergleich IST (links) mit dem PLAN (rechts)

Das auch Doro mit 3:35h eine sensationell gute Zeit hinlegt, macht den Tag perfekt und auch dass ich für die restlichen beiden Tage Barcelona ein Skatebord zur Ablage und Schonung meines rechten Fußes brauche ist mir eigentlich völlig egal.

cu soon

Matthias

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